IW-Arbeitsmarktfortschreibung Lesezeit 4 Min.

Ausblick auf die Zukunft des Arbeitsmarktes

Setzen sich die wesentlichen Trends auf dem Arbeitsmarkt fort, wird die Zahl der Beschäftigten in Deutschland bis 2027 weiter steigen – das zeigt die aktualisierte IW-Arbeitsmarktfortschreibung. Zwar gehen die Babyboomer nach und nach in Rente, andere erfreuliche Entwicklungen können ihr Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt aber auffangen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland würde der IW-Arbeitsmarktfortschreibung zufolge bis 2027 im Schnitt jährlich um annähernd 540.000 Personen wachsen.
  • Setzen sich die Trends der Jahre 2016 bis 2022 fort, können neu zugewanderte Arbeitskräfte den Renteneintritt älterer Beschäftigter vollständig auffangen.
  • Während die Fortschreibung in den Erziehungs- und anderen sozialen und hauswirtschaftlichen Berufen sowie der Theologie von 2022 bis 2027 ein Beschäftigungsplus von rund 380.000 Personen ergibt, zeigt sie für die Metallberufe einen Rückgang um gut 147.000 Beschäftigte.
Zur detaillierten Fassung

Erst war es die Coronapandemie, dann der Krieg in der Ukraine und die daraufhin ausgelöste Energiekrise: Ökonomen hatten es aufgrund der unerwarteten Krisen in den vergangenen Jahren wirklich nicht leicht, zuverlässige Prognosen zur Beschäftigungsentwicklung abzugeben. Bereits im vergangenen Jahr ging das Institut der deutschen Wirtschaft deshalb einen anderen Weg und entwarf die IW-Arbeitsmarktfortschreibung. Diese zeigt auf der Basis detaillierter Daten von wichtigen Arbeitsmarktindikatoren wie Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Pendlerverhalten und Zu- und Abwanderung, wie sich die Beschäftigungssituation in Deutschland entwickeln würde, wenn die empirischen Trends der vergangenen Jahre anhielten. Wichtig dabei: Die Fortschreibung ist ausdrücklich nicht als Prognose zu verstehen, sondern zeigt, auf welchem mittelfristigen Kurs sich der Arbeitsmarkt befindet.

Nun haben die Forscher das Modell mit neuen Zahlen aktualisiert. Basierend auf den Trends der Jahre 2016 bis 2022 gibt es so einen Ausblick auf den deutschen Arbeitsmarkt bis zum Jahr 2027 (Grafik):

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland würde der Fortschreibung zufolge bis 2027 im Schnitt jährlich um annähernd 540.000 Personen wachsen.

In diesem Ausmaß tragen der IW-Arbeitsmarktfortschreibung zufolge die einzelnen Komponenten im Schnitt der Jahre 2023 bis 2027 zur Veränderung der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Das ist eine Zunahme von etwa 1,6 Prozent pro Jahr. Zum Vergleich: Zwischen 2014 und 2018 wuchs die Beschäftigung jedes Jahr um mehr als 2 Prozent. Dann kam jedoch die Coronapandemie und dämpfte das Wachstum, was sich – ebenso wie der Krieg in der Ukraine – in der Fortschreibung bemerkbar macht.

Der IW-Arbeitsmarktfortschreibung zufolge wächst die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland bis 2027 im Schnitt jährlich um etwa 540.000 Personen oder 1,6 Prozent.

Ein großer Vorteil der IW-Arbeitsmarktfortschreibung: Ihr Aufbau aus vielen einzelnen, sehr kleinteiligen Daten erlaubt es, das trendmäßige Wachstum in einzelne Komponenten zu zerlegen. So zeigt sich, dass ein noch stärkerer Beschäftigungsanstieg vor allem durch die Demografie gebremst wird – schließlich erreicht die Babyboomer-Generation nach und nach das Rentenalter; ein Effekt, der vor allem in Westdeutschland immer stärker zu spüren sein wird. Der Osten erreichte schon 2019 den Höhepunkt des demografischen Wandels.

Dass hierzulande trotzdem jedes Jahr mehr Menschen einer Beschäftigung nachgehen, liegt vor allem an zwei Komponenten: Da wäre zunächst der Trend, dass immer mehr der über 55-Jährigen arbeiten – das zeigt die sogenannte Partizipationsquote. Die wichtigste Rolle spielen allerdings Zuwanderer:

Setzen sich die Trends der Jahre 2016 bis 2022 fort, können neu zugewanderte Arbeitskräfte den Renteneintritt älterer Beschäftigter vollständig auffangen.

Auch der Trend der vergangenen Jahre, dass mehr bereits in Deutschland lebende Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit einen Job aufnehmen oder suchen, ist ein wichtiger Wachstumsfaktor.

Die Arbeitsmarktfortschreibung differenziert die Beschäftigungsentwicklung zudem nach Berufen. Übergeordnete Entwicklungen lassen sich erkennen, wenn man den Blick auf die 36 Berufshauptgruppen richtet, in denen die einzelnen Jobs zusammengefasst sind (Grafik):

Während die Fortschreibung in den Erziehungs- und anderen sozialen und hauswirtschaftlichen Berufen sowie der Theologie von 2022 bis 2027 ein Beschäftigungsplus von rund 380.000 Personen ergibt, zeigt sie für die Metallberufe einen Rückgang um gut 147.000 Beschäftigte.

Veränderung der Zahl der Beschäftigten in den am stärksten wachsenden beziehungsweise schrumpfenden Berufshauptgruppen von 2022 bis 2027 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Insgesamt zeigt der Trend nicht nur für die sozialen, sondern unter anderem auch für die sprach-, gesellschafts- und geisteswissenschaftlichen sowie die IT-Berufe nach oben, während die Perspektiven in einzelnen Industriebranchen sowie im Tourismus- und Hotelgewerbe ungünstiger sind.

Die zu erwartenden Beschäftigungszahlen sind das eine, der Arbeitskräftebedarf das andere. Schon länger haben die Unternehmen hierzulande in vielen Branchen und Berufen mit einem erheblichen Fachkräftemangel zu kämpfen. Die Fortschreibung zeigt, dass sich die Lage für die Betriebe vorerst wohl nicht verbessern wird:

Insgesamt waren 2022 bereits 553 der 1.300 Berufsgattungen Engpassberufe – also Jobs, in denen die Arbeitskräftenachfrage das Angebot übersteigt.

Bis 2027 könnte die Zahl auf 569 Berufsgattungen steigen.

In vielen Berufen sind die Beschäftigungschancen also prächtig – sogar in einigen, in denen die Beschäftigung sinkt. So ist beispielsweise bei den Metallbaufachkräften der demografische Wandel so stark, dass die Beschäftigung zwar zurückgehen dürfte, der Fachkräftemangel gleichwohl größer werden wird.

Um den Fachkräftemangel in Zukunft zu lindern, muss die Politik nun zügig die Weichen stellen. Essenziell ist, die qualifizierte Zuwanderung weiter zu stärken – etwa durch eine schnellere Visavergabe und Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Damit sich die erfreuliche Entwicklung fortsetzt, dass immer mehr über 55-Jährige arbeiten, sollte die Regierung die Anreize, länger im Job zu bleiben, weiter verstärken und jene für eine frühere Verrentung verringern. Und um mehr Jugendliche für eine Ausbildung zu begeistern, braucht es eine praxisnahe Berufsorientierung an allen Schulen.

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