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Beschäftigte mit Behinderungen: Beeinträchtigt, aber nicht ambitionslos

Beschäftigte mit einer amtlich anerkannten Behinderung sind in Führungspositionen unterrepräsentiert. Dabei wollen vier von zehn Menschen mit einer Beeinträchtigung Karriere machen.

Kernaussagen in Kürze:
  • In Deutschland arbeiten rund drei Millionen Menschen mit einer anerkannten Behinderung.
  • Von den Beschäftigten mit einem Grad der Behinderung bis 50 waren im Jahr 2023 annähernd 35 Prozent in einer Führungsposition, bei den schwerbehinderten Erwerbstätigen betrug dieser Anteil nur rund 23 Prozent.
  • Unternehmen sollten verstärkt Beschäftigte mit Behinderungen in den Blick nehmen, um vakante Führungspositionen zu besetzen. Denn eine Behinderung sagt nichts über die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Person im Arbeitsleben aus.
Zur detaillierten Fassung

In Deutschland arbeiten rund drei Millionen Menschen mit einer anerkannten Behinderung. Ihnen wird häufig eine höhere Motivation und eine besonders loyale Haltung gegenüber dem Arbeitgeber attestiert. Tatsächlich bleiben Beschäftigte mit Behinderungen vergleichsweise lange beim selben Arbeitgeber. Dies zeigt die IW-Beschäftigtenbefragung von März 2023 unter rund 5.000 Personen, von denen 646 angaben, eine amtlich anerkannte Behinderung zu haben (Grafik):

Rund 39 Prozent aller Beschäftigten sind bereits mehr als zehn Jahre bei ihrem Arbeitgeber. Der Anteil der Beschäftigten mit einem Grad der Behinderung bis 50, die eine solch lange Betriebszugehörigkeit aufweisen, beträgt fast 46 Prozent, bei schwerbehinderten Beschäftigten sind es sogar gut 51 Prozent.

So viel Prozent der Beschäftigten arbeiten…Vollzeit/… seit mehr als zehn Jahren im Betrieb/… in einer Führungsposition Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Eine hohe Arbeitsmotivation und eine ausgeprägt loyale Haltung begünstigen normalerweise den Aufstieg in eine Führungsposition innerhalb eines Unternehmens. Von allen befragten Beschäftigten gaben knapp 31 Prozent an, eine Führungsposition zu bekleiden, Menschen ohne Behinderung kamen auf einen geringfügig höheren Anteil. Am höchsten war der Anteil der Führungskräfte unter den Beschäftigten mit einem Grad der Behinderung bis 50 – mit annähernd 35 Prozent. Dagegen nahmen nur rund 23 Prozent der schwerbehinderten Erwerbstätigen eine Führungsrolle ein.

Von den beschäftigten Menschen mit einer Schwerbehinderung befinden sich nur 23 Prozent in einer Führungsposition, während sich 37 Prozent dieser Personengruppe vorstellen können, in nächster Zeit entsprechend aufzusteigen.

Angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten von Unternehmen, nicht nur generell qualifizierte Beschäftigte zu rekrutieren, sondern auch bei der internen Beförderung von Mitarbeitern in vakante Führungspositionen fündig zu werden (siehe "Weniger Beschäftigte wollen in Führungsposition"), stellt sich die Frage, ob und wie sich intensivierte Inklusionsbemühungen lohnen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass Beschäftigte mit Behinderungen überhaupt bereit sind, vakante Stellen mit Führungsverantwortung zu besetzen (Grafik):

Von den vom IW befragten Beschäftigten mit einem amtlich anerkannten Grad der Behinderung bis 50 gaben 39 Prozent an, dass sie in den nächsten drei bis fünf Jahren im Unternehmen (weiter) aufsteigen möchten.

So viel Prozent der Beschäftigten stimmen der Aussage zu, in den nächsten drei bis fünf Jahren im Unternehmen (weiter) aufsteigen zu wollen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Der Abstand zu den Beschäftigten mit einer Behinderung bis 50, die tatsächlich schon eine Führungsrolle übernommen haben, beträgt somit 4 Prozentpunkte. Deutlich größer ist er bei den Schwerbehinderten mit 14 Prozentpunkten: Denn von ihnen befinden sich nur 23 Prozent in einer Führungsposition, während sich 37 Prozent dieser Beschäftigtengruppe vorstellen können, in nächster Zeit entsprechend aufzusteigen.

Grad der Behinderung sagt nichts über die Leistungsfähigkeit aus

Um vakante Führungspositionen zügiger besetzen zu können, kann es sich also für Unternehmen lohnen, verstärkt Beschäftigte mit Behinderungen in den Blick zu nehmen. Denn weder eine anerkannte vorliegende Behinderung unter 50 noch eine Schwerbehinderung geben Auskunft über die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Person im Arbeitsleben – diese wird nämlich über den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit bemessen.

Um karriereorientierte Beschäftigte mit Behinderungen beim beruflichen Aufstieg zu fördern, sind folgende Maßnahmen denkbar:

  1. Firmen können die Möglichkeit einräumen, die Führungsposition mit einer Teilzeitkraft oder im Job-sharing, also mit zwei Teilzeitkräften, zu besetzen. Beschäftigte mit Behinderungen haben häufiger eine Teilzeitstelle als Beschäftigte ohne Behinderungen.
  1. Die Unternehmen sollten dafür sorgen, dass bei karriereorientierten Beschäftigten mit Behinderungen kein Gefühl der Überlastung entsteht, denn dies kann im Extremfall dazu führen, dass sie vor der Übernahme von Führungsverantwortung zurückschrecken. Erreichen lässt sich das unter anderem durch individualisierte Arbeits- und Pausenzeiten, eine flexible Wahl des Arbeitsorts oder einen veränderten Aufgabenzuschnitt.
  1. Hilfreich wäre es darüber hinaus, geeignete Kandidaten mit Behinderungen, die in den zurückliegenden Jahren gute Leistungen erbracht haben, zu ermuntern, sich auf eine Stelle mit Führungsverantwortung zu bewerben.
  1. Zu einer inklusionsfreundlichen Unternehmenskultur zählen auch Role Models: In Betrieben, in denen es bereits Führungskräfte mit Behinderungen gibt, fungieren diese als Vorbild für andere Beschäftigte mit Beeinträchtigungen und können dazu motivieren, den eigenen beruflichen Aufstieg verstärkt ins Auge zu fassen.

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