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Distanzunterricht offenbart digitale Kluft

Die Schulschließungen während Corona haben die digitalen Schwächen im deutschen Bildungssystem offenbart. Den Schulen fehlten im internationalen Vergleich die nötige digitale Infrastruktur und Kenntnisse im Distanzunterricht. Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Haushalten hatten darunter am meisten zu leiden.

Kernaussagen in Kürze:
  • Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Haushalten litten am meisten unter den Schulschließungen während der Coronapandemie.
  • Vier von fünf Schülern aus sozial bessergestellten Familien konnten mit einem eigenen digitalen Gerät am Distanzunterricht teilnehmen. Das galt nur für die Hälfte der Schüler aus sozial schwächeren Familien.
  • Es braucht nun gezielte Förderprogramme und eine bessere digitale Ausstattung von Schulen.
Zur detaillierten Fassung

Es ist noch gar nicht so lange her, da befand sich ganz Deutschland im Corona-Lockdown. Das Leben vieler Menschen spielte sich nahezu ausschließlich zu Hause ab. So auch das der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen, die im Distanzunterricht lernen mussten. Ob Deutschland gut darauf vorbereitet war, wie es die Situation gemeistert hat und welche Auswirkungen das Lernen von zu Hause auf die Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen hatte, hat das Institut der der deutschen Wirtschaft in einem Sondergutachten des Bildungsmonitors für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft untersucht.

Die Forscher sind in ihrer Analyse chronologisch vorgegangen und haben sich zunächst die deutsche Ausgangslage angesehen. Die Daten der International Computer and Information Literacy Study aus dem Jahr 2018 zur digitalen Ausstattung der Schulen stellen Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus:

Nur 16,5 Prozent der befragten Schüler in Deutschland besuchten im Jahr 2018 Schulen, die ein ausreichendes digitales Angebot bereitstellten.

Damit war die Bundesrepublik das Schlusslicht der 13 untersuchten Länder. Der internationale Durchschnitt lag bei gut 63 Prozent.

Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Haushalten litten am meisten unter den Schulschließungen während der Coronapandemie. Es braucht nun gezielte Förderprogramme und eine bessere digitale Ausstattung von Schulen.

Die aktuelle PISA-Studie aus dem Jahr 2022 bestätigt die Defizite: Die deutschen Schulen lagen bei der digitalen Ausstattung unter dem OECD-Mittelwert.

Deutlich besser schnitten unter anderem die Niederlande ab. An den dortigen Schulen hatten mehr Kinder und Jugendliche verglichen mit Deutschland oder dem OECD-Schnitt Zugang zum Internet sowie zu digitalen Geräten und digitalen Lernplattformen. Und auch die Lehrkräfte waren besser mit Endgeräten ausgestattet.

Im privaten Umfeld sah es für deutsche Kinder und Jugendliche etwas besser aus (Grafik):

Am Distanzunterricht haben fast zwei Drittel der deutschen Schüler mit einem eigenen PC, Laptop oder Tablet teilgenommen.

So viel Prozent der Schüler hatten während der coronabedingten Schulschließungen in den Jahren 2020 und 2021 diese digitalen Geräte zur Verfügung Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Knapp ein Viertel musste auf das eigene Smartphone zurückgreifen.

Digitale Ausstattung: Soziale Herkunft ist großer Faktor

Wie gut die Kinder und Jugendlichen ausgestattet waren, hing vor allem von ihrer sozialen Herkunft ab:

Vier von fünf Schülern aus sozial bessergestellten Familien konnten mit einem eigenen digitalen Gerät am Distanzunterricht teilnehmen. Das galt nur für die Hälfte der Schüler aus sozial schwächeren Familien.

Letztere mussten häufiger auf ihr Smartphone (34 Prozent) oder das Gerät eines Familienmitglieds (8 Prozent) zurückgreifen. Sie waren es auch, die häufiger selbstständig mit gedrucktem Material lernen mussten und weniger an digitalen Lernformaten teilnehmen konnten.

Bildungsferne Haushalte in Deutschland konnten ihre schulpflichtigen Kinder auch weniger gut unterstützen als die oberen Schichten (Grafik):

Sozial schlechtergestellte Kinder und Jugendliche halfen zum Beispiel im Haushalt oder betreuten ihre Geschwister, statt dem Unterricht zu folgen oder selbstständig zu lernen. Sie hatten außerdem seltener jemanden, der ihnen bei den Hausaufgaben half.

So häufig hatten Schüler dieser sozialen Herkunft in Deutschland während des Distanzunterrichts in der Coronapandemie diese Probleme Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Auch nach Ende der Schulschließungen gab es zwischen den Gruppen deutliche Unterschiede. Eine Untersuchung des ifo Instituts zeigt, dass Schüler aus Akademikerhaushalten ihre Lernrückstände häufiger nachholten als Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Haushalten.

Mehr leistungsschwache Schüler

Das hat Folgen: Wie in vielen anderen Ländern haben die Kompetenzen der 15-jährigen Schüler in Deutschland im Vergleich zu vorherigen PISA-Studien abgenommen.

In allen drei getesteten Kompetenzbereichen – Mathematik, Naturwissenschaften und Deutsch – ist der Anteil der leistungsstarken Schüler gesunken. In Mathe hat sich der Anteil leistungsstarker Schüler zwischen den Jahren 2012 und 2022 von knapp 18 Prozent auf weniger als 9 Prozent reduziert. Im selben Zeitraum ist der Anteil der leistungsschwachen Schüler von etwa 18 Prozent auf fast 30 Prozent gestiegen. Vor allem die Leistungen von schon zuvor schwachen Schülern, von Schülern aus schwierigen sozialen Verhältnissen und von jenen mit Migrationshintergrund ließen nach.

Gezielte Förderprogramme nötig

Was es daher braucht, sind gezielte Förderprogramme für die besonders von den Schulschließungen benachteiligten Kinder und Jugendlichen. Und noch ein zweiter Punkt ist wichtig: Obwohl sich die Digitalisierung an den deutschen Schulen im Laufe der Pandemie verbessert hat, ist es zwingend notwendig, die Schulen digital besser auszustatten und digitale Medien stärker in den Schulunterricht einzubinden. Nur so lassen sich die Kinder und Jugendlichen bei erneuten Schulschließungen besser unterstützen und fördern.

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