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Interview: „Die amerikanische Wirtschaft ist resilient"

Das Rennen um den Präsidentschaftsposten in den USA ist komplett offen. Simone Menne, Präsidentin der American Chamber of Commerce in Germany, blickt im iwd-Interview auf die potenziellen wirtschafts- und handelspolitischen Auswirkungen der beiden möglichen Wahlausgänge und erläutert, wie eine gute transatlantische Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA generell funktionieren kann.

Kernaussagen in Kürze:
  • "Grundsätzlich wird die USA als ein sehr positiver Ort zur Ansiedlung von Unternehmen gesehen", sagt Simone Menne, Präsidentin der American Chamber of Commerce in Germany.
  • Wie sich die Wirtschaft unter Donald Trump oder Kamala Harris verändern würde, sei schwer zu sagen. Unabhängig vom Wahlausgang setzt sie sich aber für Freihandelsabkommen auf bestimmten Gebieten sowie regelmäßige Gespräche im von der Biden-Regierung und der EU gegründeten Trade and Technology Council ein.
  • "Unsere Aufgabe ist es, Politikerinnen und Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks davon zu überzeugen, was gut für die Wirtschaft ist", so Menne.
Zur detaillierten Fassung

Frau Menne, wie nehmen Sie die Stimmung bei Ihren Mitgliedern mit Blick auf die kommende Präsidentschaftswahl in den USA wahr?

Die größten Sorgen machen sich die von uns vertretenen Unternehmen hinsichtlich der Verlässlichkeit: Wenn sie in den USA investieren und dort Arbeitsplätze sichern oder sogar zusätzliche Stellen schaffen wollen, müssen sie sich darauf verlassen können, dass sich die Gesetzgebung nicht massiv ändert. Dieses Vertrauen in die Stabilität der wirtschaftlichen Umgebung wackelt aktuell – das gilt unabhängig davon, ob Demokraten oder Republikaner regieren.

Man muss aber auch sagen: Grundsätzlich wird die USA als ein sehr positiver Ort zur Ansiedlung von Unternehmen gesehen. Das hängt auch mit dem Inflation Reduction Act zusammen, der von der Biden-Administration eingeführt wurde.

Empfehlen Sie Ihren Mitgliedern, sich in irgendeiner Weise auf die verschiedenen Wahlausgänge vorzubereiten?

Wir geben keine expliziten Empfehlungen, wie sich unsere Mitglieder verhalten sollen, wenn Donald Trump oder Kamala Harris gewählt werden. Eine grundsätzliche, parteiunabhängige Empfehlung von uns ist: Schaut euch nicht nur die USA als ganzes Land an, sondern die einzelnen Bundesstaaten. Kalifornien funktioniert zum Beispiel ganz anders als Texas. Es ergibt also Sinn, sich an den einzelnen Bundesstaaten zu orientieren, vielleicht sogar Städtepartnerschaften aufzubauen.

Simone Menne ist Präsidentin der American Chamber of Commerce in Germany, Foto: jürgen mai

Zumindest bei den großen Technologiekonzernen genießt Donald Trump offenbar Sympathien. Wäre er als Präsident für die US-Wirtschaft tatsächlich die bessere Wahl?

Zwar hat sich die US-Wirtschaft in Trumps erster Amtszeit in einigen Branchen sehr gut entwickelt, einen Wirtschaftsboom gab es in dieser Zeit allerdings nicht. Und unter den Techkonzernen gehen die Meinungen auch auseinander. Es haben sich zwar einige populäre Menschen öffentlichkeitswirksam pro Trump geäußert. Gerade im Silicon Valley gibt es jedoch viele Unternehmer, die sich nicht unbedingt laut in der Öffentlichkeit positionieren, aber – das sieht man am Spendenaufkommen – offensichtlich eher demokratisch gestimmt sind.

In welchen Bereichen würde sich der Status quo für die EU bei einer Wahl Trumps beziehungsweise Harris' am stärksten ändern?

Generell ist es schwer zu sagen, wie die Wirtschaftsprogramme der beiden aussehen werden. Unter Trump würden wahrscheinlich Zölle als handelspolitisches Instrument wieder an Bedeutung gewinnen, worauf sich die EU einstellen müsste. Generell werden die großen Themen nach der Wahl aber wohl erst mal nicht wirtschaftliche sein, sondern sich eher um innenpolitische Streitpunkte wie den Umgang mit Migration und Abtreibungsgesetze drehen.

Einen Wirtschaftsboom gab es unter Trump nicht.

Was sich – egal, wen die US-Bürger wählen – wohl nicht ändern wird, ist die China-Politik. Wir können uns darauf einstellen, dass es weitere Zölle und Sanktionen geben wird und die USA von ihren Partnern erwarten, diesen Weg mitzugehen.

Trump und Harris unterscheiden sich nicht zuletzt darin, wie sie den Krieg in der Ukraine beenden wollen – Trump setzt wohl auf Zugeständnisse an Russland. Müssen sich Ukrainer bestimmter Gebiete Sorgen machen, bald zu Russland zu gehören?

Da würde ich aufpassen, das nur einer Partei zuzuschreiben. Es kommt ja auch ganz darauf an, wie die Mehrheitsverhältnisse im Kongress insgesamt sind. Es war nicht einmal die Mehrheit der Republikaner, die gegen eine Unterstützung der Ukraine durch die USA gestimmt hat, sondern es waren nur einige Personen – aber genug, um die Bemühungen auszubremsen. Für die Kräfteverhältnisse ist eben nicht nur ein einzelner Mann oder eine einzelne Frau maßgeblich, sondern es gibt einen Senat, ein Repräsentantenhaus und sehr viele weitere Menschen in wichtigen Positionen. Bislang ist es so, dass die Mehrheit der Abgeordneten inklusive der Republikaner sich eigentlich für eine Ukraine-Unterstützung einsetzt.

Schon seit einigen Jahren gibt es weltweit ein Revival des Protektionismus. Eine weitreichende Handelsinitiative wie TTIP wird es selbst unter der handelsoffeneren Harris voraussichtlich nicht geben. Wie könnte sich die handelspolitische transatlantische Zusammenarbeit dennoch verbessern?

Wir setzen uns natürlich sehr für Freihandelsabkommen ein. Ich glaube auch nicht, dass es so eine große Initiative wie TTIP noch einmal geben wird. Was aber denkbar wäre, sind kleinere Abkommen auf bestimmten Gebieten, wo es noch nicht so viele festgelegte Regeln gibt. Was wir zum Beispiel brauchen und was wir unterstützen, ist ein Handelsabkommen für Stahl und Aluminium.

Es hat sich sehr bewährt, im Trade and Technology Council miteinander zu reden.

Ein starkes Projekt, das die Biden-Regierung und die EU eingeführt haben, ist das Trade and Technology Council, kurz TTC. Das ist ein transatlantisches Kooperationsforum, in dem gemeinsam Handels-, Wirtschafts- und Technologiefragen koordiniert und mögliche Regulierungen besprochen werden. Es hat sich sehr bewährt, dort miteinander zu sprechen, gerade wenn es nötig wurde, schnell zu handeln – Stichwort Sanktionen. Im Moment ist das TTC ein bisschen stillgelegt, unsere Hoffnung wäre, dass die Gespräche nach der Wahl wieder aufleben. Ob das bei einer zweiten Präsidentschaft Trumps gelingen würde, müssten wir dann sehen.

Unabhängig vom Wahlausgang setzen wir uns auch dafür ein, dass es Regeln zum Thema künstliche Intelligenz gibt und dass auf diesem Gebiet versucht wird, transatlantische Standards zu setzen. Für die Wirtschaft ist es immens wichtig, dass die gesetzlichen Vorgaben nicht in jedem Land unterschiedlich sind. Das unterstreicht noch mal die große Bedeutung des TTC, wo Grundlagen für solche einheitlichen Standards gelegt werden können.

Mögen Sie eine Einschätzung abgeben, wer die Wahl in den USA gewinnt?

Nein, dafür ist es zu knapp. Es entscheiden ein paar Swing States, in denen Trump und Harris noch Wählerinnen und Wähler gewinnen müssen. Natürlich gibt es mit dem Wechsel von Biden zu Harris als Kandidatin der Demokraten jetzt eine neue Dynamik – wir haben aber auch gesehen, dass Umfragen in der Vergangenheit manchmal völlig falschlagen, nicht nur in den USA.

Wie die Wahl am Ende auch ausgehen mag – die amerikanische Wirtschaft ist verhältnismäßig resilient. Große Unternehmen wie BMW, VW oder Siemens sind schon mehrere Jahrzehnte in den USA aktiv und haben in dieser langen Zeit immer wieder mit wechselnden US-Regierungen zusammengearbeitet. Wir als AmCham Germany wollen in erster Linie die Wirtschaft fördern. Unsere Aufgabe ist es, Politikerinnen und Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks davon zu überzeugen, was gut für die Wirtschaft ist, weil das letzten Endes – davon bin ich fest überzeugt – auch gut für die Gesellschaft ist.

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