Rentenpaket II Lesezeit 2 Min.

Rentenpolitik auf Kosten der Beitragszahler ist Kalkül

Die deutsche Bevölkerung altert. Das verleitet die Politik dazu, ihren Kurs an den Versorgungsinteressen der über 50-jährigen Wählerschaft auszurichten. Ob dieses Kalkül auf Dauer aufgeht, ist alles andere als sicher.

Kernaussagen in Kürze:
  • Der Anteil der über 67-Jährigen an allen Wahlberechtigten in Deutschland wächst von 24 Prozent im Jahr 2022 auf 31 Prozent im Jahr 2070.
  • Die aktuelle Rentenpolitik auf Kosten der Beitragszahler ist deshalb vor allem politisches Kalkül.
  • Ob dieses Kalkül auf Dauer aufgeht, ist allerdings alles andere als sicher – schließlich werden künftig immer mehr Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben, die ein Bewusstsein für die demografischen Herausforderungen des Rentensystems entwickelt haben.
Zur detaillierten Fassung

Nach langem Hin und Her hat das Bundeskabinett Ende Mai 2024 das Rentenpaket II beschlossen. Das Rentenniveau – genauer gesagt: das durchschnittliche Sicherungsniveau vor Steuern – soll demnach bis zum Jahr 2039 auf 48 Prozent festgeschrieben werden.

Dahinter steckt, dass in den kommenden Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Damit schrumpft die Gruppe der Beitragszahler, die Zahl der Rentenempfänger steigt und das Rentenniveau müsste weiter sinken.

Ein dauerhaft fixiertes Sicherungsniveau – wenn auf steuerliche Zuschüsse verzichtet wird – ist aber nur durch steigende Beiträge zu finanzieren. Der heutige Beitragssatz von 18,6 Prozent dürfte folglich auf 22,3 Prozent im Jahr 2035 steigen – 1 Prozentpunkt höher als ohne das Rentenpaket II.

Diese Rentenpolitik auf Kosten der Beitragszahler ist vor allem eins: politisches Kalkül (Grafik):

Der Anteil der Personen im wahlberechtigten Alter von 67 Jahren und älter wächst von 24 Prozent im Jahr 2022 auf 31 Prozent im Jahr 2070.

So viel Prozent der volljährigen Bevölkerung entfielen/entfallen auf diese Altersgruppen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Bereits im Jahr 2022 stellten die über 50-Jährigen die Mehrheit der potenziellen Wählerschaft. Deshalb passen die politischen Akteure ihren Kurs an die vermeintlichen Interessen der rentennahen Jahrgänge und Älteren an. Ziel ist es, ihre Wiederwahlchancen zu erhöhen.

Dabei geht die Politik davon aus, dass sich die Ruheständler und jene, die demnächst in Rente gehen, vor allem für ihre gesicherte Versorgung im Alter interessieren – während die Jüngeren im Alter von 18 bis 49 Jahren eher eine stabile Beitragslast präferieren.

Ob die Politik mit diesem Kalkül dauerhaft richtig liegt, hängt davon ab, ob sich die Wählerpräferenzen mit zunehmendem Alter zwingend im obigen Sinne verändern. Wäre das der Fall, dann würde in absehbarer Zeit keine Mehrheit für eine Rentenpolitik zustande kommen, die auf stabile Beitragssätze abzielt.

Die über 50-Jährigen in Deutschland stellen die Mehrheit der potenziellen Wählerschaft. Die aktuelle Rentenpolitik auf Kosten der Beitragszahler ist deshalb vor allem politisches Kalkül.

Auf lange Sicht betrachtet werden aber künftig immer mehr Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben, die durch die Reformdebatten Anfang der 2000er Jahre ein Bewusstsein für die demografischen Herausforderungen des Rentensystems entwickelt haben. Zudem haben sie ihre gesetzliche Altersvorsorge bereits durch eine private und betriebliche ergänzt. So könnten die heute jungen Wahlberechtigten auch im Alter ihre derzeitigen Präferenzen beibehalten, da sie sonst bei steigendem Beitragssatz weniger Spielräume für die betriebliche und private Altersvorsorge hätten.

Dann würde das politische Kalkül nicht mehr aufgehen und die Fürsprecher einer großzügigen Rentenpolitik müssten damit rechnen, bei kommenden Wahlen von vorausschauenden Wählern abgestraft zu werden.

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