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Tarifverhandlungen: Kompromisse durch lange Laufzeit

Auch wenn die Inflation in Deutschland wieder auf ein Normalmaß gesunken ist, bleiben viele Gewerkschaften bei ihren hohen Forderungen in Tarifverhandlungen. Das führt zu schwierigen Gesprächen der Sozialpartner. Ein Hebel, um Kompromisse zu erzielen, ist die Laufzeit der Vertragsabschlüsse.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die durchschnittliche maximale Eskalationsstufe in den Tarifverhandlungen des ersten Halbjahrs 2024 lag bei einem Wert von 3,0, die durchschnittliche Konfliktintensität bei 11,0 Punkten.
  • Kompromisse erzielten die Vertragspartner zuletzt häufig über die Dauer der Vereinbarung, die neuen Tarifabschlüsse haben eine lange Laufzeit.
  • Im zweiten Halbjahr 2024 stehen in sechs Branchen des IW-Tarifmonitorings neue Tarifverhandlungen an, unter anderem in der Metall- und Elektro-Industrie
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Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer um neue Tarifabschlüsse ringen, kann es schon mal etwas ruppiger zugehen. Doch so weit eskaliert wie im ersten Halbjahr 2024 sind die Konflikte nur selten, seitdem das Institut der deutschen Wirtschaft im Jahr 2000 mit einer systematischen Erfassung begonnen hat (Grafik):

Die durchschnittliche maximale Eskalationsstufe über alle untersuchten Branchen hinweg lag im ersten Halbjahr 2024 bei einem Wert von 3,0 und damit um 0,3 Punkte höher als im ebenfalls sehr konfliktreichen Vorjahr.

Durchschnittliche Konfliktintensität der Tarifverhandlungen in Deutschland in Punkten Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Bis zur maximalen Eskalationsstufe 7 ging es ausschließlich im Verkehrssektor. Bei der Deutschen Bahn, Eurowings, Discover Airlines und der Lufthansa befanden sich die Gewerkschaften zum Ende jeweils im von den Mitgliedern getragenen Streik.

Zählt man die einzelnen Konfliktpunkte während des gesamten Verhandlungszeitraums zusammen, liegen der Einzelhandel sowie der Groß- und Außenhandel – jeweils in Nordrhein-Westfalen – an der Spitze aller Tarifkonflikte, die im ersten Halbjahr 2024 liefen. Zwar eskalierte der Konflikt jeweils nie weiter als Stufe 4, dafür zogen sich die Verhandlungen hin – insgesamt über 14 beziehungsweise gut 15 Monate.

Die durchschnittliche maximale Eskalationsstufe in den Tarifverhandlungen des ersten Halbjahrs 2024 lag bei einem Wert von 3,0, die durchschnittliche Konfliktintensität bei 11,0 Punkten.

Dieser Trend war im ersten Halbjahr 2024 generell zu erkennen. Im Schnitt dauerte ein begonnener, fortgesetzter oder abgeschlossener Tarifkonflikt neun Monate. Zum Vergleich: Im Vorjahreszeitraum waren es nur 4,6 Monate. Die deutlich zäheren Verhandlungen haben einen Grund:

Die Gewerkschaften versuchen, die Lohnverluste aus der Hochinflationsphase rückwirkend auszugleichen.

Gleichzeitig leiden die Unternehmen unter der aktuell anhaltenden konjunkturellen Schwächephase. Sie sind nicht in der Lage, auf die hohen Forderungen der Gewerkschaften einzugehen, ohne eine wirtschaftliche Schieflage zu riskieren, die Arbeitsplätze kosten kann.

Um diese schwierige Situation aufzulösen, haben die Sozialpartner einen neuen Weg gewählt, wie die Daten des IW zeigen (Grafik):

Die neuen Tarifabschlüsse hatten zuletzt eine lange Laufzeit.

So viele Monate laufen die im ersten Halbjahr 2024 in Deutschland abgeschlossenen Entgelt-Tarifverträge in diesen Branchen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Am längsten gilt die Vereinbarung in der Flugsicherung, über ganze 51 Monate läuft der aktuelle Abschluss. Eurowings hat sich mit der Gewerkschaft für die Piloten auf einen Entgelt-Abschluss über 42 Monate geeinigt. Im Baugewerbe, dem Einzelhandel (NRW), dem Groß- und Außenhandel (NRW) sowie für das Kabinenpersonal der Lufthansa gelten die neu abgeschlossenen Vereinbarungen jeweils drei Jahre.

Der Vorteil für die Unternehmen: Die langen Laufzeiten sorgen für Planungssicherheit. Außerdem sind die Abschlüsse in der Regel mehrstufig. So lässt sich die finanzielle Belastung etwas strecken und somit leichter stemmen.

Verhandlungen in der Metall- und Elektro-Industrie stehen an

Im zweiten Halbjahr 2024 stehen in sechs Branchen des IW-Tarifmonitorings neue Tarifverhandlungen an. Die weitreichendste beginnt in der Metall- und Elektro-Industrie, wo die IG Metall und die Metallverbände um einen Abschluss für fast vier Millionen Beschäftigte ringen werden. Möglich, dass sich auch hier der Trend zu langfristigen Abschlüssen fortsetzt. Auch in der papiererzeugenden Industrie beginnen die Verhandlungen. In der Vergangenheit erzielten die Sozialpartner geräuschlos Abschlüsse, sodass mit keinem großen Konflikt zu rechnen ist.

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