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„Unternehmen müssen permanent innovativ sein und investieren“

Die IW-Verbandsumfrage zeigt: Die Umsatzerwartungen in den einzelnen deutschen Wirtschaftszweigen sind für 2019 mehrheitlich gut. Dennoch sind die Verbände weniger zuversichtlich als vor einem Jahr. Warum das so ist, erklärt der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, im iwd-Interview.

Kernaussagen in Kürze:
  • Den deutschen Unternehmen gelingt es trotz der verlangsamten Globalisierung nach wie vor sehr gut, sich dank ihrer hohen Wettbewerbsfähigkeit in ihren jeweiligen Märkten international erfolgreich zu positionieren, sagt IW-Direktor Michael Hüther.
  • Die Politik müsse das Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft – den industriellen Export, flankiert von passenden Dienstleistungen – deuten und unterstützen.
  • Die Unternehmen wissen um den Mangel an Fachkräften und wollen vorsorgen, indem sie gute Leute einstellen und halten. Dabei spielt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine viel größere Rolle als früher.
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Im vergangenen Jahr erschien Ihr Buch „Die erschöpfte Globalisierung“. Das klingt nach Endzeitstimmung. Dennoch sind die Produktionserwartungen der deutschen Verbände für 2019 überwiegend positiv. Wie passt das zusammen?

„Erschöpft“ bedeutet ja nicht das Ende der Globalisierung. Vielmehr geht es um eine deutliche Verlangsamung, weil es immer schwerer fällt, neue, dynamische Volkswirtschaften in den internationalen Handel zu integrieren, und sich die Arbeitsteilung nicht weiter intensiviert. Zudem ist die Bereitschaft der Menschen merklich gesunken, die Globalisierung als Heilsversprechen zu akzeptieren.

Dessen ungeachtet gelingt es den deutschen Unternehmen nach wie vor sehr gut, sich dank ihrer hohen Wettbewerbsfähigkeit in ihren jeweiligen Märkten international erfolgreich zu positionieren.

Sie sind regelmäßig an der kalifornischen Universität Stanford, zudem Vorstandsmitglied der Atlantik-Brücke, also gut verdrahtet in die USA. Wie viele Sorgen sollten wir uns wegen Donald Trump machen?

Unsere Sorgen sollten sich nicht auf Trump beschränken. Er ist kein Unfall der Geschichte. Er ist vielmehr ein Symptom für die politische Fragmentierung und strukturellen Verschiebungen in den USA, beispielsweise in Handels- oder Klimafragen. Übrigens verschiebt sich in den USA auch der Bevölkerungsschwerpunkt im Land vom Nordosten immer weiter in den Südwesten. Entsprechend verlieren transatlantische Beziehungen zugunsten transpazifischer an Bedeutung.

Dennoch oder gerade deshalb sollten wir Europäer gezielt mit den Kräften in den Vereinigten Staaten kooperieren, die transatlantisch verankert sind.

Die Investitionsabsichten der deutschen Wirtschaft haben sich etwas abgeschwächt. Ist das nur ein kleiner Dämpfer oder müssen wir uns für eine konjunkturelle Flaute wappnen?

Noch immer wollen 22 Branchen mehr investieren und nur fünf weniger. Das ist wirklich nur ein minimal schlechteres Bild als vor einem Jahr. Ohnehin taugen Investitionspläne kaum noch als konjunktureller Indikator: Es gibt heute den dauerhaften Druck, innovativ zu sein. Die digitale Transformation ist ein langfristiger Prozess, der permanente Investitionen voraussetzt.

Unsere Sorgen sollten sich nicht auf Trump beschränken. Er ist kein Unfall der Geschichte.

Was kann und sollte die Politik tun, um das Investitionsklima zu verbessern?

Die Politik muss das Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft deuten und unterstützen – und das Geschäftsmodell ist der industrielle Export, flankiert von passenden Dienstleistungen. Entsprechend gilt es, die multilaterale Ordnung und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Dazu gehört eine funktionierende Infrastruktur – sei es im Verkehr oder mit Blick auf die Digitalisierung –, aber auch ein adäquates Steuersystem. Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags wäre ein starkes Signal.

Auch das Thema 5G – also das besonders schnelle Mobilfunknetz – wird intensiv diskutiert. Hat die Bundesregierung verstanden, wie essenziell schnelles Internet für die Wirtschaft ist?

Es gibt zumindest eine politische Wahrnehmung und ein entsprechendes Bewusstsein, dass wir diese digitale Infrastruktur entwickeln müssen. Wenn es um zukunftsweisende Entscheidungen geht, gibt es allerdings immer wieder Schwierigkeiten.

Was 5G angeht: Es muss möglich sein, Roaming zuzulassen, also die Möglichkeit, dass ein Anbieter gegen Gebühr auf das Netz eines anderen zugreifen darf. Sonst schließen wir Wettbewerber aus und verlieren Effizienzvorteile. Bekanntlich brauchen wir für 5G deutlich mehr Funkmasten als bislang, aber nicht jeder Anbieter muss diese Masten bauen. Hier muss der Gesetzgeber eine koordinierte Strategie ermöglichen.

Laut IW-Verbandsumfrage werden viele Unternehmen im Jahr 2019 mehr Personal einstellen. Sind die Klagen über den Fachkräftemangel also übertrieben?

Nein. Vielmehr äußert sich der Fachkräftemangel gerade darin, dass der Bedarf an Mitarbeitern viel weniger als früher von der Konjunktur abhängt. Stattdessen ist er über weite Strecken strukturell, weil die Unternehmen um den Mangel wissen und jetzt vorsorgen, indem sie gute Leute einstellen und halten. Damit wollen sie letztlich den Fachkräftemangel verhindern.

Da liegt es ja nahe, dass die Unternehmen die knappen Fachkräfte mit Geld locken. Können sich die Beschäftigten also im neuen Jahr auf ein dickes Lohnplus freuen?

Wir stellen schon seit einiger Zeit fest, dass ein höherer Lohn längst nicht mehr die Bedeutung hat wie früher. Vielmehr geht es den Mitarbeitern um einen guten Ausgleich von Privatleben und Beruf. Entsprechend ist nicht mehr die Entwicklung der Löhne allein entscheidend, sondern die der Arbeitskosten insgesamt – die Löhne taugen nicht länger als Knappheitssignal.

Die jüngsten Tarifabschlüsse garantieren zusätzliche Urlaubstage und mehr Arbeitszeitflexibilität. Ist das ein Trend?

Seit einigen Jahren erhebt das Institut der deutschen Wirtschaft den Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit. Und da kommt mittlerweile ganz klar heraus, dass Beschäftigte Wert auf zweierlei Dinge legen: zum einen eine gute Betreuungsinfrastruktur für den Nachwuchs, beispielsweise einen Betriebskindergarten oder die Unterstützung von Tagesmütternetzwerken, zum anderen all jene Instrumente, die Zeit-Souveränität ermöglichen.

Das ist nicht verwunderlich, wenn man sich die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt anschaut: Knapp 80 Prozent der 25- bis 64-Jährigen arbeiten. Da geht es mehr denn je darum, die Arbeitsteilung innerhalb der Familie optimal zu organisieren – und da werden die Arbeitgeber gefordert, ihren Teil beizutragen.

Noch einmal zurück zur Verbandsumfrage: Wie sehr werden die Autoindustrie und ihre Zulieferer unter Fahrverboten, CO2-Grenzwerten, US-Strafzöllen und Nachrüstpflichten leiden?

Wir sehen in der IW-Verbandsumfrage einen Effekt all dieser Punkte auf die Stimmungslage – die ist in der Automobilindustrie und in anderen Industriebranchen von ganz oben nach ganz unten durchgerutscht.

Das ist ein ziemlicher Kontrast zu den robusten Investitions- und Beschäftigungserwartungen. Doch dieser Befund ist dem umfassenden Innovations- und Transformationsprozess geschuldet, der sich durch Digitalisierung und Elektromobilität, aber natürlich auch durch die neuen CO2-Vorgaben der EU ergibt.

Letztlich steht die Autoindustrie – unabhängig von selbst verschuldeten Problemen wie Dieselgate – unter einem enormen Anpassungsdruck.

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