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Verteidigung: Eine Frage des Geldes

Durch den Ukraine-Krieg ist das Verteidigungsbündnis NATO wieder in der öffentlichen Debatte gelandet – vor allem die Investitionen der Mitglieder in ihr Militär. Viele NATO-Staaten stellen zu wenig Mittel bereit. Auch Deutschland gehört seit Langem dazu.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die NATO-Staaten, die nahe der Grenze zu Russland liegen, haben ihre Investitionen in die eigene Verteidigung zuletzt deutlich erhöht.
  • Deutschland hat das Ziel von 2 Prozent Verteidigungsausgaben gemessen ab BIP in den vergangenen Jahren deutlich verfehlt und erreicht es in diesem Jahr nur mit Rechenkünsten und Sondervermögen.
  • Will Deutschland ernsthaft auf Dauer die NATO-Finanzierungsziele erreichen, braucht es großen politischen Willen und massive Budgetumschichtungen.
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Als ab 1989 sukzessive der Eiserne Vorhang fiel, profitierte davon keine Weltregion mehr als Europa. Immer mehr mittel- und osteuropäische Staaten lösten sich von kommunistischer Diktatur und Planwirtschaft, entschieden sich für Demokratie und Marktwirtschaft und wendeten sich politisch dem Westen zu. Viele von ihnen sind inzwischen EU-Mitglieder, einige weitere zählen zu den Beitrittskandidaten. Hinzu kommt:

Nach dem Zerfall der Sowjetunion suchten nun unabhängige Staaten sicherheitspolitisch den Schutz des transatlantischen Bündnisses NATO, darunter Estland, Lettland und Litauen.

Das Ende der Sowjetunion markierte außerdem das Ende des Kalten Kriegs. Damit fiel die militärische Bedrohung weg, die in den Dekaden zuvor zu hohen Rüstungsausgaben sowie konventioneller und nuklearer Abschreckung geführt hatte.

Regionale Spannungen bleiben

Allerdings lief dieser Prozess nicht gänzlich friedlich ab. So mündete die Auflösung Jugoslawiens in mehrere militärische Konflikte, unter anderem den Bosnien- sowie den Kroatien-Krieg, die 1995 endeten, sowie den Kosovo-Krieg, der 1999 zu Ende ging. Die Spannungen in der Region bestehen bis heute. Konflikte gibt es auch in Moldau, dessen Grenzregion sich unter dem Namen Transnistrien für unabhängig erklärt hat, aber nur von Russland anerkannt wird. Russische Minderheiten spielen ebenso in innenpolitischen Konflikten im Baltikum eine Rolle.

Will Deutschland auf Dauer die NATO-Finanzierungsziele erreichen, braucht es großen politischen Willen und massive Budgetumschichtungen.

Lässt man diese Auseinandersetzungen beiseite, waren militärische Konflikte in den vergangenen Jahrzehnten aus Sicht der NATO stets weit entfernt. Die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim sowie einiger Gebiete im Donbass durch Russland im Jahr 2014 war für die Mehrheit der NATO-Mitglieder keine akute Bedrohung, auch wenn die östlichen Mitgliedsstaaten schon länger vor einer Gefahr durch Russland gewarnt hatten. Sie sahen beispielsweise die Gefahr von Desinformationskampagnen, Cyberangriffen oder der Instrumentalisierung russischer Minderheiten in den ehemaligen Sowjetstaaten.

Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 hat sich die Einstellung der übrigen Bündnismitglieder radikal geändert. Viele EU-Staaten, die früher Teil der Sowjetunion waren und geografisch nahe an den Grenzen Russlands liegen, haben mit vergleichsweise hohen Verteidigungsausgaben reagiert (Grafik):

Im Jahr 2023 gaben Polen, die baltischen Staaten, Ungarn, die Slowakei sowie das neue NATO-Mitglied Finnland mindestens 2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung aus.

So viel Prozent des Bruttoinlandsprodukts gaben die EU-Staaten im Jahr 2023 für Verteidigung aus Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Alle diese Länder haben ihren Etat in den vergangenen zehn Jahren deutlich erhöht, das größte Plus erzielten Litauen und Polen mit jeweils 2 Prozentpunkten, bei den anderen Staaten stiegen die Verteidigungsausgaben um rund 1 Prozentpunkt.

Deutschland schafft Vorgabe seit Jahren nicht

Deutschland dagegen legte im selben Zeitraum nur um 0,3 Prozentpunkte zu und kam im Jahr 2023 auf Verteidigungsausgaben von 1,5 Prozent des BIP. Das von den NATO-Mitgliedsstaaten im Jahr 2014 selbst auferlegte Ziel, jährlich 2 Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu investieren, verfehlt die Bundesrepublik regelmäßig. Daran gibt es – nicht zuletzt aus den USA – seit Langem harsche Kritik. Mit einem möglichen US-Präsidenten Donald Trump, der mit seinen Äußerungen immer wieder die Glaubwürdigkeit der NATO torpediert und mit einem Austritt der USA aus dem Bündnis droht, müsste Europa wahrscheinlich noch viel mehr in seine Verteidigungsfähigkeit investieren als bisher. Das wäre eine riesige Aufgabe, denn:

Im Jahr 2023 gaben die EU-Staaten, einschließlich der Nicht-NATO-Mitglieder, im Schnitt nur rund 1,7 Prozent ihres BIP für die Verteidigung aus.

Lediglich zehn von 27 EU-Ländern erreichten einen Wert von mindestens 2 Prozent. Zwei Jahre zuvor waren es sogar nur sechs Staaten. Absolut gesehen fehlten für ein europäisches 2-Prozent-Ziel in Analogie zur NATO-Vereinbarung im Jahr 2023 rund 45 Milliarden Euro.

Ein großer Anteil des europäischen Nachholbedarfs geht auf Deutschland zurück (Grafik):

In den vergangenen Jahren war Deutschland regelmäßig für etwa ein Drittel jenes Betrags verantwortlich, der innerhalb der EU fehlte, um die 2-Prozent-Marke bei den Verteidigungsausgaben zu erreichen.

So viele Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben fehlten in der Europäischen Union, um das NATO-Ziel von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Im Jahr 2023 stieg dieser Anteil auf 40 Prozent an, weil die anderen Länder ihre Verteidigungsausgaben deutlich stärker ausweiteten als Deutschland.

Zwar wird Deutschland 2024 die Zielmarke erreichen, dafür sind aber ein Sondervermögen und Rechenkünste nötig (siehe: „Deutsche Verteidigungsausgaben erstmals über 2 Prozent“). Mittelfristig reicht der Berliner Finanzetat nicht aus. Denn im Bundeshaushalt bleibt der Verteidigungsposten in den kommenden Jahren konstant. Dadurch klafft eine Finanzierungslücke von jährlich rund 30 Milliarden Euro. Will Deutschland ernsthaft auf Dauer die NATO-Finanzierungsziele erreichen, braucht es großen politischen Willen und massive Budgetumschichtungen.

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