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Zeitpunkt des Renteneintritts hängt an mehreren Faktoren

Weiterarbeiten oder so schnell wie möglich in den Ruhestand gehen? Für welche Option sich Beschäftigte entscheiden, ist nicht nur eine Frage des Geldes. So können Unternehmen einiges selbst dazu beitragen, dass Mitarbeiter möglichst lange für sie tätig sein wollen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im Jahr 2022 schieden 56 Prozent der Neurentner vorzeitig, also vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze, aus dem Erwerbsleben aus.
  • Angesichts des demografischen Wandels müssten die Beschäftigten jedoch wenigstens bis zur Regelaltersgrenze arbeiten, idealerweise auch noch darüber hinaus.
  • Tatsächlich kann sich gut ein Drittel der abhängig Beschäftigten vorstellen, nach dem Renteneintritt weiterzuarbeiten.
Zur detaillierten Fassung

Manche können auf den Tag genau beantworten, wie lange sie noch arbeiten müssen, andere suchen sich bereits vor dem Renteneintritt eine bezahlte Weiterbeschäftigung. Ersteres ist eher die Regel, Letzteres eher die Ausnahme: Laut Angaben der Deutschen Rentenversicherung waren Ende 2022 – neuere Daten liegen nicht vor – von 18,6 Millionen Rentnern hierzulande nur knapp 1,4 Millionen erwerbstätig, also gerade mal etwas mehr als 7 Prozent. Viele realisieren dagegen einen anderen Wunsch, nämlich vorzeitig in Rente zu gehen:

Im Jahr 2022 lag die Regelaltersgrenze bei 65,8 Jahren, das durchschnittliche Rentenzugangsalter jedoch mit 64,4 Jahren fast anderthalb Jahre darunter.

Im Jahr 2022 schieden so 56 Prozent der Neurentner vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus – 29 Prozent abschlagsfrei, 21 Prozent mit Abschlägen und 6 Prozent mit einer Rente für Schwerbehinderte. Lediglich 44 Prozent der Beschäftigten, die im Jahr 2022 eine Rente beantragten, hatten zum Zeitpunkt des ersten Rentenbezugs die Regelaltersgrenze erreicht.

Gut ein Drittel der abhängig Beschäftigten kann sich vorstellen, nach dem Renteneintritt weiterzuarbeiten.

Dass dies in einem umlagefinanzierten System angesichts einer wachsenden Zahl von Rentnern, steigender Rentenbezugsdauern – Frauen beziehen inzwischen im Schnitt 22,2 Jahre Rente, Männer 18,8 Jahre – und immer weniger Beitragszahlern auf Dauer nicht funktionieren kann, ist klar. Doch wie können Beschäftigte für einen späteren Renteneintritt motiviert werden? Die individuellen und arbeitsplatzbezogenen Einflussfaktoren, die eine Erwerbstätigkeit bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter begünstigen, hat nun eine IW-Studie zusammengetragen, für die rund 5.000 Beschäftigte befragt wurden. Der geplante Renteneintritt hängt demnach von folgenden Einflussgrößen ab:

  1. Einkommen. Beschäftigte mit einem höheren Haushaltseinkommen sehen sich zwar häufiger in der Lage, bis zum gesetzlichen Rentenalter zu arbeiten, wollen dies aber seltener als Beschäftigte mit geringerem Einkommen. Beschäftigte mit einem Haushaltseinkommen von weniger als 1.500 Euro im Monat wollen häufig bis zur Regelaltersgrenze arbeiten, allerdings fühlt sich dazu nur jeder Zweite in der Lage. Das dürfte auch an ihren Arbeitsbedingungen liegen, die häufiger eher körperliche als geistige Anstrengungen erfordern.
  2. Engagement. Arbeitnehmer, die sich im Job voller Energie fühlen und nur selten an der Wichtigkeit ihres Tuns zweifeln, streben deutlich häufiger eine Erwerbstätigkeit bis zur Regelaltersgrenze an als Beschäftigte, die ein niedriges Engagement aufweisen.
  3. Weiterbildung. Auch die Affinität, die eigenen Fähigkeiten durch Weiterbildungen aktuell zu halten oder auszubauen, trägt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu einem längeren gewünschten Erwerbsleben bei. Wer sich gerne weiterbildet, sieht sich jedoch eher in einer anderen Tätigkeit als im aktuellen Job.

Befragt nach den Motiven für den Renteneintritt, gibt es unter den Beschäftigten einen klaren Favoriten (Grafik):

Über alle Altersgruppen hinweg ist für zwei Drittel der Beschäftigten das Motiv, dann in Rente zu gehen, wenn im Alter der Lebensstandard gesichert ist, das wichtigste.

So viel Prozent der Beschäftigten stimmten diesen Aussagen zum passenden Zeitpunkt für ihren Renteneintritt zu Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Jeder zweite Befragte nennt den Wunsch nach mehr Freizeit als Motiv für den Renteneintritt. Ebenso viele sind überzeugt, dass für sie der richtige Zeitpunkt gekommen sein wird, wenn sie aus ihrer Sicht genug geleistet hätten. Das Problem an dem Bild eines wohlverdienten Ruhestands aufgrund der eigenen Lebensleistung: Das Narrativ stärkt den Wunsch nach einem vorzeitigen Renteneintritt.

Jedes zweite Unternehmen beschäftigt Silver Worker

Der Grund, keine Freude mehr am Job zu empfinden, fällt eher für ältere als für jüngere Arbeitnehmer ins Gewicht.

Obwohl die Mehrheit der Beschäftigten vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Rente geht, gibt es doch immer mehr Menschen, die auch im Ruhestand noch arbeiten: Im Jahr 2019 beschäftigten knapp vier von zehn Unternehmen in Deutschland sogenannte Silver Worker, aktuell ist es rund die Hälfte. Doch es gibt Hürden (Grafik):

Drei von zehn Unternehmen scheitern bei der Beschäftigung von Mitarbeitern, die das Rentenalter bereits überschritten haben, an arbeits- und sozialrechtlichen Fragen; von den Betrieben mit Silver-Worker-Erfahrung beklagen dies sogar 38 Prozent.

So viel Prozent der Unternehmen sehen diese Hemmnisse, um mehr oder überhaupt Beschäftigte einzusetzen, die das gesetzliche Renteneintrittsalter überschritten haben oder bereits Rente beziehen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Insbesondere das „Zurückholen“ von bereits in Rente befindlichen ehemaligen Mitarbeitern gestaltet sich schwierig, sodass es ratsam ist, wenn sich Mitarbeiter und Betrieb rechtzeitig – also vor Erreichen der Regelaltersgrenze – auf eine Weiterbeschäftigung einigen.

Wer zufrieden ist im Job, will eher länger beruflich aktiv bleiben

Doch wie viele haben daran überhaupt ein Interesse? Tatsächlich kann sich gut ein Drittel der abhängig Beschäftigten vorstellen, nach dem Renteneintritt weiterzuarbeiten. Von den Personen mit einer abgeschlossenen Hochschulausbildung und Führungskräften stehen sogar rund 46 beziehungsweise 42 Prozent einer Arbeit im Ruhestand offen gegenüber. Dagegen wollen von den Beschäftigten ohne beruflichen Abschluss und ohne Führungsverantwortung nur knapp 32 beziehungsweise 33 Prozent weiterarbeiten. Und wer mit seinem jetzigen Job zufrieden oder von seiner Arbeit überzeugt ist, will eher länger beruflich aktiv bleiben als weniger erfüllte Kollegen.

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